Zwei Wochen sind seit Lübeck vergangen – seit dem ersten Treppchenplatz der Saison. Die Vorfreude war groß, das Greifswalder Drachenbootfest noch unerforschtes Terrain, aber wir sind trainiert, vorbereitet und guter Laune. Und für alle Fälle vorbereitet, der Menge an Gepäck nach zu urteilen, das in die Autos gestapelt wurde. Der Luxus des gemieteten Transporters erwies sich als goldrichtig, es passte alles rein, die Pavillons wurden zur Fußstütze und bei einer Vollbremsung hätte es wohl Teamshirts geregnet – und ehe noch jemand einschlafen kann, sind wir schon in Greifswald angekommen und das Wochenende kann beginnen.

 

 Am Samstag sollen zweimal die 250m gefahren werden, die Zeiten werden addiert, je schneller man im ersten Vorlauf ist, desto später startet man am Samstag Nachmittag für die 1350m. Die addierten Zeiten der beiden Kurzstreckenrennen von Samstag entscheiden, wann man am Sonntagvormittag im Zwischenlauf gegen die direkten Konkurrenten fährt – je besser man also ist, desto mehr hat man Sonntags dann Zeit, den Rausch vom Vorabend auszuschlafen. Die Summe aus den Zeiten der beiden Vorläufe und des Zwischenlaufes ergibt dann die Reihenfolge der Platzierungsrennen, die nach dem K.O.-System ausgetragen werden – Zeiten sind egal. Wer als Erstes ins Ziel kommt, ist Erster.

Der Freitagabend wird mit dem Lokalisieren der Verpflegungspunkte (der nächste Supermarkt soll hundert Meter entfernt sein – könnte passen, aber nur, wenn ein Meter neu definiert wird) und dem Lageraufbau verbracht, entsprechend fällt am Samstag niemandem das Aufstehen schwer. Wie auch, wenn die Musikbox freundlicherweise von Zelt zu Zelt wandert.  Das Wetter ist makellos bis auf ein paar kleine Schauer, aber was können die einem Seebären anhaben. Vor allem nicht, wenn das Rudel sich kollektiv unter die Pavillons verkriechen kann, die Sonne entschädigt dafür, und den auf dem Wasser ziemlich starken Wind kriegen ja immerhin alle Teams ab. Die Kurzstreckenrennen enden am Samstag mit Sieg auf ganzer Linie und Vorfreude auf Sonntag, aber vor allem mit einem Triumph: Erster Platz auf 1350 Metern! Und das verdient. 5:17,50 min, und so fühlt es sich auch an, das genialste Rennen des Tages, die Lungen hat man sich aus dem Leib geatmet, und  alle sind sich einig, mehr hätte man nicht rausholen können. Trotzdem geht es mit ganz leisen Zweifeln zur Siegerehrung, immerhin weiß man ja nicht genau, wann genau die Zeit gestoppt wurde, man ist sich zwar sehr sicher, aber diese kleine Restunsicherheit … und wer jubelt am lautesten, als der zweite Platz angesagt wird? Das Studententeam.

 

Dazu die guten Zeiten der ersten beiden Kurzstreckenrennen, die uns die späteste Startzeit für Sonntag garantieren. Allerdings mit nicht allzu großem Abstand zum bisher Zweitplatzierten, trotzdem wird gefeiert an diesem Abend, zu Livemusik und aufgelegter Platte, zu Aviciis „Hey Brother“ und Helene Fischer mit „Atemlos“, alles dabei. Trotzdem, das hier ist ein Wettkampf, und so gehen auch alle brav ins Zelt, als die Musik verstummt.

Mit den Gedanken im Kopf, Sonntag sein Bestes zu geben, und wenn man Erster wird, wunderbar. Und dennoch – wir liegen vorne. Wer kann da nicht an die Möglichkeit von zwei ersten Plätzen an einem Wochenende denken?

Sonntag meint es das Wetter schon wieder etwas zu gut, aber ob Regen oder Sonne, die Seebären können sich unter ihren Pavillons zusammenrotten. Das erste Rennen auf 250 läuft gut, aber mit deutlich langsamerer Zeit als am Vortag. Aber gut, das ist noch okay, solange die Gesamtbilanz stimmt. Und sie stimmt: Mit einer addierten Zeit von 03:07,18 min gehen wir in das Rennen auf 250m um die ersten drei Plätze. Und man ist zuversichtlich.Sehr vorsichtig zuversichtlich, aber der Doppelsieg schwebt vor dem geistigen Auge. Rennen um die letzten drei  Platzierungen heißt aber auch, als letztes zu starten, und die lange Pause vor diesem K.O.  fühlt sich noch länger an. Manche marinieren sich mit Lichtschutzfaktoren und baden in der Sonne, manche genießen im Campingstuhl den Schatten, andere schauen sich die Rennen an, wieder andere schreien sich an der Trommel für die Ostseezeitung heiser, andere beantworten die Fragen der Ostseezeitung: Wer wusste noch nicht, dass bei den Seebären mit vierzig Leuten im Kader viermal die Woche trainiert wird? Und das, obwohl wir nur ein Boot haben! Soll uns mal einer nachmachen.

Mittagsmüdigkeit und Aufregung kämpfen miteinander, beim gründlichen Aufwärmen wird auch der letzte Rest Schläfrigkeit vertrieben. Heiß auf den Start und spritzig beim Start sein – das ist nicht schwer, so lange, wie es braucht, die Boote aufzureihen. Der Wind spielt nicht mit, wir wollen das Rennen fahren, immer wieder wird der Start abgebrochen, aber dann geht es los – und mit geteilter Meinung ins Ziel.

Einig sind wir uns: Geniales Rennen. Wir hätten nicht sehr viel schneller sein können, der Endspurt lässt das Team atemlos. Aber Erster? Oder doch Zweiter? Ab wann wurde die Zeit gestoppt? Die meisten sind sicher, dass der Doppelsieg drin ist, aber diese Restzweifel. Trotzdem, für den ersten Platz wird bei Siegerehrung vorgeplant: Die Frauen des Teams auf die Schultern und dann ein Triumphzug nach vorne, sollte es geklappt haben. Gespannte Erwartung, Zuteilung der Ladys, für jede finden sich starke Schultern, und wer jubelt dann wieder am lautesten bei der Ansage des zweiten Platzes? Das Seebärenrudel – denn der Doppelsieg ist in der Tasche und schon die Frauen auf den Schultern.

 

Damit ist das Wochenende perfekt, ganze 09:26,50 min sind wir auf zwei Tage verteilt gepaddelt und haben damit in dieser Outdoor-Saison zum ersten Mal das Treppchen bis nach ganz oben erklommen. Kurzstrecken- und Langstreckentigerhaie sind wir also! Und so geht es gemütlich im zugestapelten Transporter nach Hause – mit einem dicken Danke an das Publikum in Greifswald (Gänsehautfeeling bei der Langstrecke, von Jubel begleiteter Endspurt), danke an die Trommlerin, danke an jeden Seebären. Wenn das kein Motivationsschub für die restliche Saison ist!