Die Wintermonate sowie das Frühjahr standen für die KfRG Rostocker Seebären ganz im Zeichen der Langstreckenvorbereitung. Bis zu dreimal wöchentlich versammelten sich die Sportler zu den Einheiten, um dem Schietwetter und dem eigenen „Schweinehund“ zu trotzen. Ziel der Übung war die erfolgreiche Teilnahme an der 7. offenen Deutschen Drachenboot Langstrecken-Meisterschaft im fernen Saarbrücken. Die erste und letzte Beteiligung konnten wir im Jahr 2012 im heimischen Rostock verbuchen. Damals erreichten wir einen grandiosen dritten Rang bei der ersten Meisterschaftsteilnahme überhaupt. Nach strukturellen und personellen Umbrüchen sowie der Etablierung in einem neuen Verein (Kanufreunde Rostocker Greif e.V.) sprachen sich alle Mitglieder dafür aus, dass es in diesem Jahr endlich wieder an der Zeit sein sollte, größere Aufgaben in Angriff zu nehmen und sich dem Wettbewerb mit den besten Vereinsteams Deutschlands zu stellen. Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Vorbereitung auf eine nationale Meisterschaft ein erhebliches Mehr an Vorbereitung und Organisation erfordert. Wir danken unserer Teamführung für die mit Aufopferung und Herzblut geleistete Arbeit, um eine Teilnahme zu ermöglichen. Meldungen und Fristen, Kontakt zum Veranstalter und Verband, Anmietung eines Bootes, Unterkunft, Anreise, viele hundert Trainingskilometer, Testwettkampf und stete Motivation in der Vorbereitung standen vor der eigentlichen Herausforderung.

Mannschaftsfoto in den Polos der John-Brinckmann-Apotheke 

Die Mehrheit der Seebären trat die Reise ins 860 km entfernte Saarbrücken bereits am Donnerstag vor dem Wettkampf an. Eine Vorhut bezog das Quartier bei den Kanu-Wanderern Saarbrücken e.V. und der einmaligen Herbergsmutter Carmen, empfing unser Wettkampfboot und bereitete alles für die Ankunft des restlichen Rudels vor. Dieses traf größtenteils in der Nacht ein, sodass nur noch Schlafen angesagt war. Am frühen Freitag startete dann die Langstrecken-DM mit einem gemeinsamen Frühstück und einer ausgiebigen Bootspolitur, denn das Material war arg in Mitleidenschaft gezogen worden und entsprach noch nicht unseren Erwartungen. Nach dem individuellen Mittagessen ging es endlich auf die Saar, um etwas Wassergefühl zu entwickeln und sich mit dem Gewässer und seiner Strömung vertraut zu machen. Bei dieser Gelegenheit besuchten wir auch gleich den Bereich von Start/Ziel sowie zweiter Wende und kamen so fast ungewollt auf eine Trainingsdistanz von 9 km. Am Abend gemeinsames Abendbrot und frühes zu Bett gehen.

 Am Morgen des Wettkampfes wurde gegen 7 Uhr zu einem kleinen Läufchen entlang der Saar geweckt… Kreislauf hochfahren! Nach dem gemeinsamen Pflicht-Einheits-Frühstück ging es dann endlich in den Saarbrücker Bürgerpark. Der Schauplatz der Langstrecken-DM auf dem ehemaligen Gelände des Kohlehafens, das Ende der 80er Jahre zu einem Naherholungsgebiet umgestaltet worden ist und dabei die ursprüngliche Bebauung integrierte, stellte bei Regen und Temperaturen von 6-8 C° einen seltsamen jedoch nicht unsympathischen Wettkampfort dar. Nachdem die Mannschaften langsam eintrafen und Teamzelte aus dem Boden schossen, mussten die Wettkampfboote bei der offiziellen Wiegestelle vorgeführt werden. Die Professionalität einer Meisterschaft war deutlich zu spüren. Zügige Abwicklung der Boote beim Wiegen und danach auf den Sattelplatz. Dieser diente zur Präparation der Drachenboote, sodass diese pünktlich zu Wasser gelassen werden konnten. Die Konzentration bei den Seebären zog dementsprechend an. Nochmal einen Energieriegel eingeschoben und dann der Witterung entsprechend umgekleidet, lag das Augenmerk darauf nicht zu sehr auszukühlen, ehe eine intensive Erwärmung die Körper auf die bevorstehende Anstrengung einschwor. Dann brach die Zeit für den Einstieg an und der Beginn des sportlichen Teils stand unmittelbar bevor.

 Für die Ausrichtung der 7. (verbands)offenen Deutschen Drachenboot Langstrecken-Meisterschaften zeichnete der Regattaverein Saar e.V. verantwortlich, der durch seine „Monkey-Jumble“-Events über ein erhebliches Maß an Erfahrung in der Durchführung derartiger Wettbewerbe verfügt. Gestartet wurde in den drei Klassen „Premier Mixed“, „Masters 40+ Mixed“ und im „Breitensport“. Die Seebären traten in der Leistungsklasse an, die laut Ausschreibung eine Strecke von 12,6 km vorsah, tatsächlich jedoch die 13 km nur knapp unterbot. 14 Mannschaften aus der gesamten Bundesrepublik meldeten für die „Premier Mixed“-Klasse. Unter den 13 Booten, die am Ende tatsächlich an den Start gingen, befand sich fast alles, was im deutschen Drachenbootsport Rang und Namen hat. Unter den Favoriten sichtete man natürlich auch einige Teams von Weltrang, sodass diese Regatta einer Deutschen Meisterschaft würdig werden musste und auch werden sollte.

 

Meldeliste nach Startnummern:

 

#1 Speedform Dragons (Wolfsburger Kanuclub e.V.)

#2 Berlin Dragons (Kanu Team Berlin)

#3 Union Biber (Drachenbootverein Saar e.V.)

#4 Saardrachen (VFK Saar e.V.)

#5 All Sports Team (Hannoverscher Kanu Club von 1921 e.V.)

#6 Centro Dragons (TC Sterkrade 1869 Oberhausen e.V.)

#7 Drag Attack (Verein für Kanusport e.V.)

#8 Roter Drache Mülheim (Mühlheimer Kanusport-Verein e.V.)

#9 Neckardrachen (SV Union 08 Böckingen e.V.)

#10 HKC Unitas (Hannoverscher Kanu Club von 1921 e.V.)

#11 KfRG Rostocker Seebären (Kanufreunde Rostocker Greif e.V.)

Leerer Startplatz (kein e.V.)

#13 Rhenania Drachen (Koblenzer Ruderclub Rhenania 1877/1921 e.V.)

#14 Blue Dragons (Dragonboat-Club Borken e.V.)

 

Die Startnummer 11 bescherte mit „HKC Unitas“ auf der 10 einen starken Gegner voraus. Hinter uns blieb ein Startplatz wegen Abmeldung vakant. Somit konnten alle Kräfte auf die Jagd ausgelegt und die Sorge vor einem direkten Verfolger etwas gemäßigt werden. „Noch 10 Minuten bis zum Start“, ertönte es aus den Lautsprechern. Alle Teams fanden sich im Start/Ziel-Bereich ein und rangierten in eine vernünftige Startposition. „Noch 5 Minuten bis zum Start.“ Abgesehen von Steuerbefehlen und den Paddelschlägen lag absolute Stille über der Saar. Beinahe materialisierte Konzentration umgab das Seebärenboot. „Noch 60 Sekunden bis zum Start.“ Ja…da war etwas zu spüren! Das war der geforderte Wettkampfmodus und vor uns 13 km und ein paar gegnerische Boote. Vollkommen unaufgeregt führte unser Steuermann Micha uns zum Start. Dann ertönte das „Go“ und Team um Team schoss im 10-Sekundentakt auf die Saar hinaus. Der immer wiederkehrende Zyklus von Zählen und Start hatte etwas Meditatives und als der Starter in Runde 11 seines Mantras einstimmte, explodierte eine Startbombe. Wir lederten gegen die Strömung auf die Strecke wie eine Herde Wildpferde, um kurz darauf einen Schlag von 65+ aufzunehmen. Erstaunlicherweise genügte die Pace, um bereits nach einigen hundert Metern ins direkte Fahrwasser der „HKC Unitas“ einzutauchen. Das Feld schob sich bereits zusammen. Die bärenstarken „Neckardrachen“, die „Drag Attack“ und die „Roten Drachen“ aus Mühlheim vollzogen erste Überholmanöver, sodass auch die Seebären im Verbund mit „HKC Unitas“ zunächst auf die Startnummer 6, die „Centro-Dragons“, auffuhren und kurze Zeit später das erste Überholmanöver vollführen konnten. Die enge Saar lag vollkommen aufgewühlt vor uns. Das Schwabbelwasser förderte Wellenberge zu Tage, die sich an den Uferkanten noch verstärkten. Doch kein Problem! Zwar drang etwas Wasser ins Boot, aber es gelang sich den Bedingungen anzupassen und auf Höhe der „HKC Unitas“ die erste Wende anzusteuern. Unterwegs konnten mit Startnummer 3 noch die „Union Biber“ kassiert werden. Nach ca. 3,5 km wartete auf Höhe des Osthafens die erste von drei Wenden. Durch einige kräftige Schläge gelang es die Innenbahn zu erobern, die genutzt wurde, um nach enger Wende vor den Hannoveranern auf die erste Rücktour zu gehen. Eine massive Schlagzahlerhöhung steuerte schließlich die notwendige Geschwindigkeit bei, den Verfolger von der Welle zu schmeißen und die neuerliche Jagd auf die vor uns gestarteten Boote aufzunehmen.

Gnade wurde nicht vom Gegner erwartet und auch nicht gegeben. 

Mit etwas freiem Wasser drückten sich die Rostocker Seebären nun mit der Strömung und einer Geschwindigkeit von über 13 km/h zurück in Richtung Start und zur zweiten Wende. Micha und Madeline auf der Trommel verstanden es die Motivation auf einem hohen Niveau zu halten und so die schlagweise Annäherung an das Boot mit der Startnummer 4, die „Saardrachen“, zu gewährleisten. Auf der Höhe der markanten „Alten Brücke“ konnte der Anschluss hergestellt und der Abstand bis zur zweiten Wende stetig verringert werden. Noch standen etwas mehr als 5 km auf der Uhr und sowohl „Saardrachen“ als auch Seebären fuhren auf die Startnummer 1, die Wolfsburger „Speedform Dragons“ auf. In diesem Dreikampf kam es zu einigen gewagten Manövern im Streit um die beste Linie. Einige hundert Meter vor der letzten Wende am E-Werk zogen die Saardrachen auf die Innenbahn, die wir zu diesem Zeitpunkt befuhren. Ein waghalsiges Manöver, dass unseren Steuermann dazu zwang in den Gegenverkehr zu driften. Ein leichtes Abstoppen war nötig, um eine Kollision zu vermeiden. Diese Aktion kostete viel Kraft und brachte den „Saardrachen“ den Vorteil der Innenbahn in der Wende sowie einige Bootslängen Vorsprung ein. Mit Wut im Bauch gingen die Seebären aus Rostock auf die Verfolgung. Dabei überrannten sie zunächst mit einigen Blöcken hochfrequenter und harter Schläge die „Speedform Dragons“, die dem Angriff nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Auf Höhe der „Alten Brücke“ waren auch die „Saardrachen“ wieder eingeholt, deren Steuermann jedoch nicht von seiner Kampflinie abließ. Das sollte einen langen Endspurt verheißen. 750 m trieben sich die Boote voran. Mehrere Schlagzahlerhöhungen genügten jedoch nicht, um den Konkurrenten von der Welle zu putzen. Die Saarländer blieben hartnäckig, sodass es zu einem Zielsprint kam, den wir relativ knapp für uns entscheiden konnten. Schweres Atmen, ob der Anstrengung eines so langen Sprints am Ende von fast 13 km, von der Anstrengung gezeichnete Gesichter, aber auch Freudenrufe. So trudelten die Rostocker Seebären ins Ziel ihrer zweiten Langstrecken-DM.

 Zu Hauf trainiert und perfekt abgeliefert: Die Höllen-Wende

Die Zeitmessung ergab schlussendlich starke 1:00:44,152 h. Diese Zeit reichte zu Rang 5 in der Gesamtwertung. Gegen die ganz großen Favoriten war zwar noch kein Kraut gewachsen, denn „Drag Attack“, „Neckardrachen“, „All Sports Team Hannover“ und „Roter Drache Mühlheim“ belegten die Ränge eins bis vier, aber die Rostocker Seebären blieben mit knapp 25 s Rückstand in relativer Schlagdistanz zum Bronzerang. Mit „HKC Unitas“ konnte ein starker Gegner auf Rang 6 verwiesen werden. Zudem übten wir Revanche an den „Berlin Dragons“, die vor 14 Tagen in Blossin noch mit acht 8 s triumphierten. In Saarbrücken gelang es eine halbe Minute auf die Berliner herauszufahren. Auf der Strecke wurden fünf gegnerische Boote überholt und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 12,9 km/h erzielt. So schnell waren wir noch nie auf einer Langstrecke. Es bleibt daher zu konstatieren, dass sich jegliche Mühen gelohnt haben und der fünfte Rang bei diesen Deutschen Langstrecken-Meisterschaften einen großen Erfolg für uns Seebären aus Rostock darstellt. Wir haben gezeigt, dass mit uns zu rechnen ist und einen Platz im Vorderfeld der deutschen Langstreckenteams erobert. Einmal mehr, und nun auch vor entsprechender Kulisse, trat dieses junge Team den Beweis an, dass es in der Lage ist Forderungen punktgenau umzusetzen und dabei die Nerven in Zaum zu behalten. Voller Stolz können wir verkünden: „Wir sind die Seebären-ein Drachenbootteam aus Rostock!“

Unser Dank gilt dem DKV, dem Regattaverein Saar e.V., allen haupt- und ehrenamtlichen Helfern sowie den Vereinen und Sportlern, die eine solche Veranstaltung erst ermöglichen.

 

Eine kleiner Bilderauswahl findet Ihr in der Galerie.