Geehrte Leser, liebe Sportsfreunde und Anhänger,
ich muss mich bei Euch für diesen Bericht entschuldigen. Ihr lest richtig. Entschuldigen! Entschuldigen, weil er sich von dem unterscheiden wird, was Ihr aus berechtigter Lesegewohnheit von einem Wettkampfbericht der Rostocker Seebären erwarten könnt. Erstens erscheint er unerhört spät und zweitens wird er Euch faktisch keine großen Erkenntnisse liefern. Erhofft Euch keine gebetsmühlenartige Aufzählung von gegnerischen Teams und Laufzeiten. Nichts soll gesagt werden von taktischen Feinheiten und Platzierungen, kein eindringlicher Pathos beschworen werden, der Euch ins Geschehen eines Renntages zu katapultieren sucht.
Dieser Bericht dient einer Abstandnahme und dem Innehalten. Denn nach nun acht Jahren und Teilnahmen war es uns endlich möglich, das große Drachenbootrennen auf dem Alten Strom in Warnemünde zu gewinnen. Dass man darum um Himmels Willen doch kein großes Trara veranstalten sollte, versteht sich von selbst. Tagesform, Teilnehmerfeld, Training und etwas Glück entscheiden über Sieg und Niederlage. Das ist so bei jeder Regatta. Doch diesmal spielen, vor allem für die altgedienten Seebären, emotionale Aspekte eine wichtige Rolle.
Wer den Werdegang der Seebären verfolgt hat, ist sich im Klaren darüber, dass sich vor mehr als acht Jahren ein kleiner Haufen Studenten zusammenschloss. Böse Zungen behaupten, dass die meisten nicht einmal wussten, wie man ein Paddel hält. Ich kann euch leider nicht sagen, ob das der Wahrheit entspricht, da mein Weg mich erst zwei Jahre später in diese tolle Truppe führte. Vom Hörensagen kann ich euch aber berichten, dass diese jungen Leute zunächst am RKC erste Berührungen mit dem Ufer-Schilf erlebten, um dann am Breitling in die absoluten Basics dieses Sports eingeführt zu werden. So ist das wohl, wenn man beginnt. Man lernt von denen, die etwas können. Der Hochschulsport der Universität orderte ein eigenes Drachenboot und in der Folge konnte ein autarkes Training beginnen... und sie trainierten fleißig. Der Werdegang und das Projekt sind faszinierend, stellt man sich vor, dass dieses Team einen permanenten Personalwechsel durchmacht(e), der zum einen zwar ständig frisches Blut in die Mannschaft brachte, zum anderen jedoch immer wieder Leistungsträger davon spülte. Halbjährlich galt es, neue Paddler ins Training und in den Kader zu integrieren.
Warnemünde galt stets als das Highlight in der Wettkampfsaison. Mit alljährlichen Platzierungen um Platz 30 begann der Traum. „Ein einziges mal auf dem Treppchen stehen. Das wär' mal was!“ Für derartige Äußerungen wurden die Alten von so manchen Sportsfreunden anderer Teams nur müde belächelt. Weil sich der Seebär mühsam ernährt, stand der Schweiß vor dem großen Traum. Jahr um Jahr verbesserten sie sich. Trainingsmethoden konnten verfeinert, Abläufe professionalisiert werden. Die Bären pirschten sich langsam in angenehmere Gefilde des Klassements. Nach acht Jahren, in denen Lehrgeld gezahlt und Rückschläge verkraftet werden mussten, trainiert, geschwitzt, gelitten, aber auch gebissen und gefeiert wurde, ist der Traum nun endlich wahr. Möglich nur durch die echte Einheit einer echten Mannschaft, in der klein und groß, dick und dünn, leise und laut auf dem Wasser schließlich Eins wurden.
Wenn die Seebären der ersten Stunde heute von den Anfängen erzählen, ist es für die „Frischlinge“ kaum vorstellbar, dass ein Sieg bei einem Indoor-Cup in Anklam 2009 einst das Allergrößte war! Die ersten Siege vergisst man nämlich nie. Daher lassen wir nun jemanden zu Wort kommen, der Gründungsmitglied und somit dienstältester Seebär ist, Doc Schöne:
"Vor dem Wettkampf hätte ich jemandem 'nen Vogel gezeigt, der uns den ersten Platz prognostiziert hätte. Oder zumindest hätte ich arge Zweifel geäußert. Dementsprechend überrascht war ich, als wir nach dem ersten Lauf ganz vorn dabei und dann Lauf für Lauf das schnellste Team waren. Dadurch kam einerseits leider der Finalsieg dann schließlich wenig überraschend und, um das für mich emotional werden zu lassen, musste ich mir intensiv vergangene Tage des ewigen Verlierens in Erinnerung rufen, als noch der gesamte Alte Strom uns verspottete und mit faulem Obst bewarf ;) . Ich hatte mir einen Sieg in Warnemünde irgendwie ungewisser, überwältigender und unglaublicher vorgestellt.
Andererseits hat mich diese gedankliche Reise durch die Vergangenheit aber mit einem wohlig wärmenden Gefühl der Erhabenheit, der Zufriedenheit und des Stolzes erfüllt. Man flaniert um die Wettkampfstrecke und erinnert sich an das junge Uni-Team, von einem ambitionierten Kapitän gegründet mit vielen Paddlern, die nicht so recht wissen, was sie erwartet. Ich erinnerte mich an das Interesse einiger Personen der anderen Vereine in Rostock, dass "die Uni nun auch ein Team stellen will". Und ich erinnerte mich an die ersten Rennen und Wettkämpfe, die aber eher an die allererste Vorstellung eines Kabarettisten vor fremden Publikum erinnerten, der alle seine Pointen versaut. An die zufriedenen Blicke und Gespräche hinter vorgehaltener Hand besagter interessierter Personen. Fragte ich in den ersten Jahren Altgediente anderer Teams, warum sie nicht zu den Seebären kämen, bekam ich zu hören, der Grund sei, "man wolle nicht verlieren".
Tja... eine Erinnerung, die lange Zeit vom Verdrängtwerden bedroht war, erhielt nun einen Ehrenplatz inmitten der "Karriere-Pinnwand".
Denn dann gehst du 2015 mit deinem neuen, komisch labberigen Craft-Rennshirt den Alten Strom entlang und triffst die verschiedensten Leute, die du in den Jahren kennengelernt hast, aus allen Leistungssegmenten und alle sprechen dich auf deine Zeiten an. "Läuft ja ganz gut bei euch". Manche nicht ganz ehrlich, manche wiederum mit dieser Aufrichtigkeit, die einen in Verlegenheit bringt, die meisten aber mit einem ehrlichen Händedruck und einem gönnendem Blick. Der Stolz und das wärmende Gefühl eines Erfolges sind mir erfreulicherweise durch einige tolle Errungenschaften mit den Seebären (eingeleitet durch Anklam 2009, s.o.) nicht ganz fremd, aber der Weg auf's Warnemünder Treppchen erfolgte dann doch etwas unsicheren Schrittes, was auch gut ist, so. Es war dennoch eine ganz besondere Freude - eine Freude, die mich mit tiefer Dankbarkeit erfüllt.
Einmal Seebär, immer Seebär!"